Montag, 9. August 2010

Von den "göttlichen" Urteilen

Walter Mixa, der Augsburger Bischof mit befleckter Weste, ist bekanntlich zurückgetreten. Damit ist einer der engagiertesten Fürsprecher einer autoritären, konservativ bis rückwärts gewandten katholischen Kirche von der politischen Bühne (sic!) Deutschlands abgetreten. Seine unsäglichen Ausfälle gegen den zeitgenössischen, liberalen Lebensstil gehören damit der Vergangenheit an.
Doch war resp. ist er längst nicht der einzige Vertreter solch fragwürdiger Positionen. Man möchte hier eher eine strukturelle Eigenschaft insb. der katholischen Kirche vermuten, die offenbar solche Persönlichkeiten in besonderem Maße an- und/oder erzieht.
Ein weiteres Beispiel wäre etwa der Salzburger Weihbischof Andreas Laun. In dem katholischen Nachrichtenportal kath.net zeigte sich Laun in einem Beitrag erstaunlich gut informiert über göttliche Wertungen:
Das Mitleid mit den Opfern ist eine Sache, eine andere die Feststellung: „Love – Parade“ und Teilnahme an ihnen sind, abgesehen von ihrem abstoßenden Erscheinungsbild, objektiv eine Art Aufstand gegen die Schöpfung und gegen die Ordnung Gottes, sind Sünde und Einladung zur Sünde!
(Hervorhebung von Soph.)
Kann oder soll man dem noch etwas hinzufügen? Man fragt sich, welchen Objektivitätsbegriff der gute Weihbischof hier zugrunde legt. Finden sich entsprechende Wertungen in der "Heiligen Schrift"? ("Der Herr aber spricht: Du sollst nicht tanzen zu harten Rhythmen noch Spaß haben mit anderen Menschen!") Hinsichtlich gleichgeschlechtlicher Liebe haben sich die Autoren des Levitikus ja recht eindeutig geäußert (18:22 und 20:13). Warum aber die Love-Parade ausgerechnet den Zorn des Herrn erregt haben soll, erschließt sich mir nicht so recht. Vielleicht kann mir da jemand bibelfesteres aufhelfen?!
Mit anderen Worten: Man weigert sich anzuerkennen, dass die Loveparade, abgesehen von ihrem krankhaften Erscheinungsbild, auch mit Sünde zu tun haben könnte und darum, folgerichtig, auch mit dem richtenden und strafenden Gott!
(Hervorhebung von Soph.)
Wie weit sind solche Ansichten von einem aufgeklärten Christentum entfernt! Was heißt hier "aufgeklärt"? Es bedeutet die Einsicht in die Bedingtheit der eigenen Wertmaßstäbe durch die menschliche, d.h. eben nicht göttliche Umwelt. Daran scheiden sich freilich die Geister und einem von manchem als gefährlich angesehenen Relativismus wird die Tür geöffnet. Wenn Herr Laun von einem "krankhaften Erscheinungsbild" spricht, setzt er ein absolutes, in seinen Augen göttlich gerechtfertigtes Werturteil. Diese absolute Denkungshaltung muss den aufgeklärten Geist befremden und empören, der doch um den subjektiven Charakter solcher Werturteile weiß und daher ihren Absolutheitsanspruch zurückweist. Als persönliche Meinung des Bürgers Laun sind solche Ansichten zwar widerwärtig, aber zu billigen. In ihrem Anspruch auf absolute Gültigkeit und geäußert von einem hochrangigen Vertreter der katholischen Kirche müssen sie energisch zurückgewiesen werden!

Laun scheint auch die Aufregung, die seine Äußerungen hervorgerufen haben, nicht zu verstehen. In einer Klarstellung der Klarstellung versucht er sich zu rechtfertigen:
Ihr aber scheint das Unrecht, das Ihr mir zum Vorwurf macht als Euer Recht in Anspruch zu nehmen: Ich dürfe nicht urteilen und ich tue es auch nicht, aber Ihr, Ihr nehmt Euch das Recht, über mich herzufallen und mich zu verurteilen für eine Behauptung, die ich ausdrücklich abgelehnt habe!
Sicherlich hat Laun in seinem ursprünglichen Beitrag den Versuch unternommen, seine persönliche Wertung zu verbergen, indem er sie eigentlich als unzulässig darstellt, um sie dann uneigentlich umso mehr hervorzuheben: 'Eigentlich darf der Mensch nicht von einer göttlichen Strafe reden, aber was ist so schlimm daran, von einer göttlichen Strafe dieses "abstoßenden", "krankhaften" Erscheinungsbilds auszugehen?' Laun begeht jedoch einen Kategorienfehler, wenn er davon ausgeht, die Grundlage seine eigenen Urteile seinen vergleichbar mit denen seiner Kritiker. Denn während er seinen Urteile auf (vorgeblich) göttliches Recht bezieht, ist das Wesen der postmodernen Kritik dezidiert relativ. Das mag nicht jedem seiner Kritiker bewusst sein, entsprechend dogmatisch mögen entsprechende Erwiderungen ausfallen.
Warum regt Ihr euch eigentlich auf? Der Gott der Bibel und der Kirche existiert in euren Augen ohnehin nicht, einer wie ich ist in Euren Augen nur ein „Märchen“-Erzähler [...]
Es stimmt: der Anspruch auf Wahrheit der mythologischen Dichtungen des Christentums wird von allen Atheisten bestritten (was tautologisch ist, jedoch keineswegs notwendig auch für den Anspruch auf Wahrheit des zugrundeliegenden Sinns gelten muss). Was aber kaum strittig ist, ist die Einsicht in die reale Wirksamkeit solcher politischen Hetzereien. Das 20. Jahrhundert war insb. in seiner ersten Hälfte voll von "Märchen"-Erzählern unterschiedlichster Couleur. Hat dies den realen Folgen Abbruch getan? Au contraire!

Immerhin: an solchen Äußerungen wird deutlich, welcher Geist in der (katholischen?) Kirche noch immer sein Unwesen treibt: Es ist nicht der Geist von Versöhnung und Liebe, sondern von Ausgrenzung und Strafe. Man muss froh und dankbar sein, in Zeiten zu leben, in denen sich der Einfluss solch moralisch fragwürdiger Personen in Grenzen hält. Nicht auszudenken, welche unmenschlichen Folgen sie in anderen Zeiten haben würden. Wehret den Anfängen!

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