Dienstag, 27. Juli 2010

Homöopathie - der Stein der Weisen!

Im Moment findet sowohl im Netz (z.B. Fefe, GWUP) wie in den klassischen Medien (z.B. Der Spiegel 28/2010 vom 12.07.2010; Spiegel Online-Dossier; ZEIT-Online; Der Tagesspiegel) ein Thema Beachtung, das lange Zeit in der Versenkung verschwunden war: die Homöopathie. Aktueller Anlass der Debatte sind die chronisch knappen Kassen der Krankenversicherungen. In einem Gespräch mit dem Spiegel äußerte der SPD-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags, Prof. Karl Lauterbach, den Vorschlag, den Krankenkassen eine Erstattung von homöopathischen Leistungen zu verbieten. Da konnte die CDU freilich nicht hintanstehen. Am selben Tag zeigte sich der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn ebenfalls offen, die homöopathische Behandlungen als Kassenleistung zu streichen - selbstverständlich nicht ohne den Hinweis, man habe schließlich die "Wahltarife für Homöopathie seinerzeit auf Wunsch von SPD und Grünen eingeführt." Bei soviel Einigkeit darf der Advocatus diaboli nicht fehlen. Und so verteidigt der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) als ordentlicher Liberaler natürlich die Wahlfreiheit: "Wenn eine Krankenkasse diesen Weg geht, kann und sollte ihr das nicht verwehrt werden."

Angesichts der massiven Probleme, denen die deutsche Regierung momentan gegenüber steht (Finanz- und Bankenkrise, Krieg in Afghanistan, Koalitionskrach usw.) mag man sich fragen, ob denn ausgerechnet jetzt eine Auseinandersetzung mit diesem doch eher randständigen Thema nottut. Vor allem mit Blick auf die tatsächlich eher geringen Kosten, die im Zuge homöopathischer Behandlungen anfallen, scheint es sich hier eher um eine Grundsatzdiskussion als ein praktisch gerechtfertigtes Ansinnen zu handeln. Denn: es ist Sommer, und da rücken gerne mal die Protagonisten der zweiten Reihe nach vorne, um ihre dringenden Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen.

Nun soll man die Feste feiern, wie sie fallen. Eine Diskussion um Scharlatanerie in der Medizin ist sicherlich erforderlich, denn hier geht es nicht in erster Linie um eine Entlastung der Kassen, sondern um das Wohl des Patienten. Doch gerade von dieser Seite wird gerne auf die vermeintlichen oder tatsächlichen Heilungserfolge verwiesen. Hat die Homöopathie nun einen Effekt? Tatsächlich bin ich der Auffassung, dass dies der Fall ist...

In einem Blog-Kommentar zum Thema hatte ich unlängst auf den Verkauf des Homöopatikums "Excrementum canium" hingewiesen, das landläufig als "Hundescheiße" bezeichnet wird (exakter, um nicht zu sagen “wissenschaftlicher”: “Kot eines mit Kuhpansen gefütterten Mischlingshundes”). Dieses wird zu Preisen zwischen 2,85€ und 17,70€ je Gramm angeboten. Da sage man nicht, die Homöopathie hätte keinen Effekt. Natürlich hat sie den: Sie macht aus Scheiße Gold und stellt damit den von den Alchemisten lange erfolglos gesuchten Stein der Weisen dar, der unedle Stoffe zu Gold oder Silber verwandeln kann. Damit sorgt für eine Umverteilung der Vermögensgüter von dumm (man mag auch sagen: leichtgläubig) nach gerissen (oder: skrupellos). Auf sowas muss man erstmal kommen! (Siehe auch den Beitrag der NZZ dazu.)

Ein anderer Kommentator des Blogbeitrags war so freundlich, auf meinen Kommentar zu antworten:
Ist das wirklich so viel absurder als die Gewinnung von Medikamenten (Insulin) aus Schlachthofabfällen? Vielleicht nicht die gleiche Liga, aber auf jeden Fall das gleiche Spiel.
Sollte die Herstellung von "Excrementum canium" wirklich vergleichbar sein mit dem Herstellungsprozess eines schulmedizinischen Medikaments, z.B. Insulin? Dass man bei der Erzeugung von Nahrungs- und Arzneimitteln besser nicht Einblick in die Details nimmt, will man seinen Appetit nicht verlieren, ist ein altbekannter Ratschlag (z.B. zibetkatzenveredelter Kaffee). Man sollte jedoch nicht dem Trugschluss aufsitzen, alle Arten wie auch immer "fachgerechter" Herstellung wären von gleicher Güte:
ERSTE HEXE. Die gelbe Katz' hat dreimal miaut.

ZWEITE HEXE. Ja, und einmal der Igel quiekt.

DRITTE HEXE. Die Harpye schreit: – 's ist Zeit.

ERSTE HEXE. Um den Kessel dreht euch rund,
Werft das Gift in seinen Schlund!
Kröte, die im kalten Stein
Tag' und Nächte, dreimal neun,
Zähen Schleim im Schlaf gegoren,
Sollst zuerst im Kessel schmoren!

ALLE. Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe,
Feuer sprühe, Kessel glühe!

ZWEITE HEXE. Sumpf'ger Schlange Schweif und Kopf
Brat' und koch' im Zaubertopf:
Molchesaug' und Unkenzehe,
Hundemaul und Hirn der Krähe;
Zäher Saft des Bilsenkrauts,
Eidechsbein und Flaum vom Kauz:
Mächt'ger Zauber würzt die Brühe,
Höllenbrei im Kessel glühe!

ALLE. Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe,
Feuer sprühe, Kessel glühe!

DRITTE HEXE. Wolfeszahn und Kamm des Drachen,
Hexenmumie, Gaum und Rachen
Aus des Haifisch scharfem Schlund;
Schierlingswurz aus finsterm Grund;
Auch des Lästerjuden Lunge,
Türkennas' und Tartarzunge;
Eibenreis, vom Stamm gerissen
In des Mondes Finsternissen;
Hand des neugebornen Knaben,
Den die Metz' erwürgt im Graben,
Dich soll nun der Kessel haben.
Tigereingeweid' hinein,
Und der Brei wird fertig sein.

ALLE. Spart am Werk nicht Fleiß noch Mühe,
Feuer sprühe, Kessel glühe!

ZWEITE HEXE. Abgekühlt mit Paviansblut,
Wird der Zauber stark und gut.
(Shakespeare, Macbeth, 4. Akt, 1. Szene)
Andere Liga, aber gleiches Spiel?? Ich habe meine Zweifel! Was zählt, ist die überprüfte Wirkung der Inhaltsstoffe eines Arzneimittels. Und an dieser Stelle kommt Homöopathie eben nicht über die Wirkung eines Placebos hinaus. Nein - der Unterschied zwischen Homöopathie und Schulmedizin (und dazu zähle ich auch Naturheilmittel) ist qualitativer Natur; die Erzeugung des Wirkstoffs und Überprüfung seiner Wirksamkeit beruhen auf wissenschaftlichen, d.h. belastbar getesteten, transparenten und falsifizierbaren Methoden. Will die Homöopathie in diesem Spiel mitspielen, muss sie diese Regeln übernehmen. Sonst bleibt sie, was sie gegenwärtig ist: fauler Zauber.

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